Die Eigentümer zweier Grundstücke waren in Streit geraten. Grund war ein
alter Lindenbaum mit großer Krone, der auf dem Grundstück eines Ehepaares stand,
etwa zehn bis zwölf Meter entfernt von der Grundstücksgrenze ihrer Nachbarin.
Mehrmals im Jahr, so beschwerte sich die Nachbarin, sei das Grundstück durch
Blüten, Samen, Blätter und Äste des Lindenbaums in einem Radius von mindestens
30 Metern bedeckt, im Herbst bilde sich eine mehr als zehn Zentimeter dicke
Schicht aus Blättern. Nicht nur der gepflegte Rasen und der Gemüsegarten seien
bedeckt, sondern auch die Regenrinnen verstopft. Zudem bildeten sich auf der
Garagenzufahrt und vor dem Garagentor Laubhaufen. Die Pflege des Gartens sei
dadurch erheblich erschwert. Sie müsse die Regenrinnen mindestens drei- bis
viermal im Jahr reinigen und jährlich 10 bis 15 80-Liter-Tonnen Laub entsorgen.
Für all diese Mühen sei es nur angemessen, wenn sie jährlich 500 Euro erhielte.
Das komme nicht infrage, entgegnete das Ehepaar. Die Laubmengen, die entsorgt
werden müssten, beträfen den gesamten Laubanfall auf dem Grundstück der
Nachbarin und stammten keinesfalls überwiegend von ihrem Lindenbaum.
Die Klage kam Ende 2012 vor das Amtsgericht München. Die zuständige Richterin
wies die Forderung nach einer „Laubrente" ab:
Grundsätzlich könne zwar ein Grundstückseigentümer einen finanziellen
Ausgleich verlangen, wenn von dem Nachbargrundstück Einwirkungen ausgingen, die
ortsunüblich seien und die Benutzung wesentlich beeinträchtigten. Das Abfallen
von Lindenlaub und -blüten auf ein Nachbargrundstück könne grundsätzlich eine
solche Einwirkung sein. Für die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung vorliege,
diene als Maßstab das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers. Für
ein Wohngrundstück sei maßgeblich, ob das Wohnen an Annehmlichkeit verliere und
der Grundstückswert dadurch gemindert werde. Vorliegend sei das Grundstück im
Frühjahr mit Blüten und im Herbst mit Laub des Lindenbaums bedeckt, es handele
sich daher um jahreszeitlich bedingte und beschränkte Einwirkungen. Ein
durchschnittlich empfindender und denkender Anwohner ohne besondere
Empfindlichkeit würde die geschilderten Beeinträchtigungen ohne
Entschädigungsverlangen hinnehmen.
Auch prägten grüne Grundstücke die Gegend. Die Mehrheit der Grundstücke sei
mit Bäumen unterschiedlicher Art bepflanzt, darunter auch Lindenbäume.
Das Ehepaar könne die von dem Lindenbaum ausgehenden Einwirkungen auch nicht
durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindern. Darüber hinaus spreche das
gewachsene Umweltbewusstsein in weiten Teilen der Bevölkerung, das das
Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansehe,
gegen eine Beeinträchtigung der Nachbarin in der ortsüblichen Benutzung ihres
Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus. Sie genieße das Wohnen im Grünen als
Lagevorteil, daher müsse sie den damit verbundenen Nachteil der erhöhten
Grundstücksverschmutzung durch pflanzliche Bestandteile in Kauf nehmen.