Fahrerlaubnis darf nicht wegen Schwerhörigkeit entzogen werden
Neustadt/Berlin. Auch einem älteren Autofahrer darf nicht ohne
Weiteres wegen Schwerhörigkeit der Führerschein abgenommen werden. Auch dann
nicht, wenn er sich geweigert hat, ein ärztliches Gutachten über seine
Fahrtauglichkeit beizubringen. Auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Neustadt an der Weinstraße vom 28. Januar 2016 (AZ: 3 L 4/16.NW) wird
hingewiesen.
Der 1930 geborene Mann beantragte bei der Fahrerlaubnisbehörde
die Umstellung seines Führerscheins von 1962 in die neuen Führerscheinklassen.
Bei einem persönlichen Gespräch stellte eine Behördenmitarbeiterin fest, dass
der Mann ein Hörgerät trug. Nach der positiv beantworteten Frage, ob er mit dem
Hörgerät gut zurechtkomme, forderte die Mitarbeiterin den Autofahrer zur Vorlage
eines ärztlichen Attestes zu seinem Hörvermögen auf. Das vorgelegte Attest eines
HNO-Arztes bescheinigte dem Mann ein altersnormales Hörvermögen.
Beeinträchtigungen im Straßenverkehr seien nicht zu erwarten.
Die Behörde verlangte eine Ergänzung des Attests: Der
Hörverlust müsse in Prozent nach der Tabelle von Röser enthalten sein. Die
gewünschten Angaben reichte der Mann ebenfalls nach.
Daraufhin verlangte die Behörde das Gutachten eines Arztes
einer Begutachtungsstelle für Fahreignung. Sie setzte dem Mann eine Frist, die
dieser verstreichen ließ. Daraufhin wurde ihm mit sofortiger Wirkung die
Fahrerlaubnis entzogen. Die Behörde begründete das unter anderem damit, dass der
Mann ein Hörgerät trage. Nach dem ohrenärztlichen Attest liege ein Hörverlust
von 56 Prozent des rechten und 100 Prozent des linken Ohrs vor. Deshalb
bestünden an seiner Eignung zum Autofahren Zweifel. Aus diesem Grund habe sie
das ärztliche Gutachten der Begutachtungsstelle angeordnet. Da der Mann das
Gutachten nicht vorgelegt habe, müsse man davon ausgehen, dass er zum Führen von
Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Daher habe die Behörde ihm den Führerschein
entzogen.
Der Autofahrer legte dagegen Widerspruch ein und wandte sich
im Eilverfahren an das Gericht. Mit Erfolg. Nach Auffassung des
Verwaltungsgerichts ist die Entziehung des Führerscheins offensichtlich
rechtswidrig. Die Behörde habe zu Unrecht das Gutachten eines Arztes einer
Begutachtungsstelle angeordnet. Es hätten keine Tatsachen vorgelegen, die
klärungsbedürftige Zweifel an der Kraftfahreignung des Mannes aufwerfen. Laut
Fahrerlaubnisverordnung komme eine Begutachtungsanordnung nur in Betracht, wenn
aufgrund konkreter Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung
bestünden. Eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit generell und
allein bedeuteten nicht, dass der Betroffene zum Autofahren nicht geeignet sei.
Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolge überwiegend über das
optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle
Signale vermittelt würden. Allein aufgrund des Alters dürfe eine solche
Anordnung nicht erfolgen.
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