Wie sieht es mit der Streupflicht im Winter aus?
Berlin. Wer wann im Winter bei Eis und Schnee streuen muss,
ist im Einzelfall immer wieder umstritten. Dabei geht es im Kern um zwei
Bereiche: Wann muss die Kommune streuen und wann der Private. Hierzu teilt die
Deutsche Anwaltauskunft mit:
„Die Kommunen müssen nicht jede Straße streuen, wohl aber belebte Kreuzungen.
Vermieter können die Streupflicht delegieren, nicht jedoch allein auf den Mieter
im Erdgeschoss. Private Stellplätze müssen nicht gestreut werden, bei öffentlich
zugänglichen Parkplätzen vor Supermärkten gleichwohl die Hauptflächen" ,
erläutert Rechtsanwalt Swen Walentowski,
Pressesprecher des Deutschen Anwaltvereins. So
ungefähr - aber auch ungenau - ließen sich die Rechtslage und die Rechtsprechung
zusammenfassen.
Im Einzelnen zu den Kommunen:
Landkreise müssen nicht jede Straße streuen. Daher müssen Autofahrer auf
nächtlichen Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften besonders
vorsichtig sein, entschied das Landgericht Coburg am 6. Juli 2012 (AZ: 22 O
729/11). Grundsätzlich sei es in der Nacht aufgrund geringen Verkehrsaufkommens
nicht zumutbar, sämtliche Verkehrswege zu streuen. In dem Fall hatte der
Autofahrer das Tempo auf 70 km/h reduziert. Viel zu wenig, sodass in dem Fall
eine Haftung von vornherein ausgeschlossen ist.
Anwohner selbst können nicht bestimmen, wie die Gemeinden ihrer Pflicht zur
Straßenreinigung einschließlich Winterwartung nachkommen. Dies entschied das
Verwaltungsgericht Aachen am 5. Januar 2011 (AZ: 6 L 539/10). Der Antragsteller
wollte im Eilverfahren die Stadt verpflichten, die vor seinem Grundstück
verlaufene Straße mit Salz oder einem Lavagemisch zu streuen. Das Gericht wies
darauf hin, dass das Straßen- und Wegegesetz zwar den Gemeinden eine
Reinigungspflicht für bestimmte Straßen auferlegt und sie zudem dazu anhält, bei
Schnee- und Eisglätte zu räumen und zu streuen. Dieser Verpflichtung stehe
jedoch kein einklagbarer Anspruch des Straßenbenutzers bzw. Anliegers auf
ordnungsgemäße Erfüllung gegenüber. Auch sei hier keine konkrete Gefahr für Leib
und Leben von Straßenbenutzern erkennbar gewesen.
Dass belebte Kreuzungen geräumt und gestreut werden müssen, entschied das
Landgericht Magdeburg am 8. September 2010 (AZ: 10 O 458/10). Eine Fußgängerin
wollte eine mit Ampeln versehene Kreuzung überqueren. Die Straße selbst war
gestreut, der Übergang sei dagegen völlig vereist und mit Trittspuren versehen.
Die Frau stürzte und verletzte sich am Ellenbogen. Sie musste zwei Wochen
stationär im Krankenhaus behandelt werden.
Die Stadt musste die Kosten zu 50 % übernehmen. Die Richter stellten fest,
dass die Stadt ihre Streu- bzw. Räumpflicht nicht ausreichend erfüllt habe. Zwar
müsse die Stadt nicht alle Straßen und Wege räumen und streuen. Allerdings
müssten verkehrswesentliche Kreuzungen mit lebhaftem Fußgängerverkehr so
gestreut werden, dass Bürgersteige und Kreuzungsbereiche gefahrlos benutzt
werden können.
Zur Streupflicht von Anrainern
Vermieter sind verpflichtet, bei Glätte für einen sicheren Zugang zum Haus zu
sorgen. Sie können ihre Streupflicht aber auf andere übertragen. Diese
Vereinbarung ist auch dann gültig, wenn die Übertragung nicht der Stadt
mitgeteilt worden ist, wie es in einigen Regionen Pflicht ist. Stürzt ein
Mieter, kann er von demjenigen, dem die Streupflicht übertragen worden ist,
Schadensersatz verlangen. Dies hat der Bundesgerichtshof am 22. Januar 2008 (AZ:
VI ZR 126/07) entschieden. Grundsätzlich sollte sich der Vermieter allerdings
nicht von seiner Pflicht in Gänze befreien.
So kann er beispielsweise nicht allein die Mieter im Erdgeschoss zum
Winterdienst verpflichten. Eine solche Verpflichtung einzelner Mieter, im Rahmen
eines Mietvertrages den Winterdienst vor dem Haus zu leisten, ist eine
unangemessene Benachteiligung. Daher wird diese Verpflichtung nicht Bestandteil
des Mietvertrages. Dies hat das Amtsgericht Köln am 14. September 2011 (AZ: 221
C 170/11) entschieden.
Private und öffentliche Parkplätze
Der Vermieter von Pkw-Stellplätzen muss diese nicht von Schnee und Eis
beräumen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um einen kleinen, wenig
frequentierten und nahe der Straße gelegenen Platz handelt, entschied das
Oberlandesgericht Köln am 19. Mai 2008 (AZ: I-24 U 161/07).
Gleichzeitig hat das Gericht auch festgestellt, dass bei öffentlichen
Parkplätzen, wie etwa an Supermärkten, eine Streupflicht dann bestehe, wenn
diese sehr groß und stark frequentiert seien. Bei einem kleinen und ruhigen
Privatparkplatz könne man von den Nutzern erwarten, dass sie sich auf Schnee und
Eis einstellen und sich für den kurzen Weg über den Parkplatz entsprechend
ausrüsteten.
Ähnlich äußerte sich auch das Landgericht Coburg am 11. Mai 2011 (AZ: 13 O
678/10). Öffentliche Parkplätze müssten dann gestreut werden, wenn sie stark
genutzt werden und die Autofahrer dort längere Wege zurücklegen müssten. Das
Gericht hat aber auch betont, dass sich die Nutzer auch auf die Glätte
einstellen müssten.
Ein bisschen Eis darf schon sein, entscheid das Oberlandesgericht Kiel am 10.
Januar 2012 (AZ: 5 U 1418/11). Kundenparkplätze müssen aber großflächig eis- und
schneefrei sein, damit sie möglichst gefahrlos benutzt werden können. Der
Eigentümer ist jedoch nicht verpflichtet, jede kleine vereiste Stelle zu
beseitigen.
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