Übernachtung des Kindes beim getrennt lebenden Elternteil auch
im Vorschulalter möglich
Hinsichtlich des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind sollten sich
getrennt lebende Eltern einigen. Oft kommt es zu einer gerichtlich genehmigten
Umgangsvereinbarung. Wenn ein Elternteil diese ändern will, muss Einigkeit
bestehen oder diese Änderung wiederum durch eine gerichtliche Entscheidung
erfolgen. Dabei kann das umgangsberechtigte Elternteil durchaus auch die
Übernachtung des Kindes bei sich erreichen. Nach Ansicht des Oberlandesgericht
Nürnberg (Beschluss vom 28. Oktober 2009; AZ: 7 UF 1009/09) ist dies dann
möglich, wenn es aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden
Gründen angezeigt ist.
Der Vater des betroffenen Kindes stammte aus den USA, wo die
Eltern auch zunächst gelebt hatten. Die Mutter war Deutsche und kehrte nach der
Scheidung mit der gemeinsamen Tochter nach Deutschland zurück. 2006 kam auch der
Vater nach Deutschland. Seit diesem Zeitpunkt hat er mit dem Kind im Großen und
Ganzen regelmäßig Umgang, wobei die Parteien zur Regelung des Umgangs immer
wieder die Hilfe der Gerichte in Anspruch nehmen mussten. Schließlich wurde eine
Regelung getroffen, nach der der Vater mit seiner Tochter jedes zweiten und
vierte Wochenende im Monat Umgang hatte. Von einer Übernachtung beim Vater sahen
die Eltern zu diesem Zeitpunkt ab, weil sich das damals erst 3-jährige Mädchen
gegenüber der eingeschalteten Verfahrenspflegerin hierzu ablehnend äußerte.
Der Vater war Leiter einer Kindertagesstätte, in der rund 150
Kinder im Alter von sechs Wochen bis sechs Jahren betreut werden. Dabei war er
nicht nur mit Verwaltungsaufgaben befasst, sondern hatte auch Kinder zu betreuen
und zu versorgen. Er war spezialisiert auf die Betreuung
unterstützungsbedürftiger Kinder. Darüber hinaus war er Kommandeur einer
Reservekompanie, so dass er gelegentlich am Wochenende keine Zeit hatte. Er
beherrschte nur die englische Sprache, während es ihm schwer fiel, sich auf
Deutsch auszudrücken. Das Kind hingegen sprach kaum Englisch.
Der Vater begehrte nun die Abänderung der gerichtlich
genehmigten Umgangsvereinbarung. Er wollte, dass das mittlerweile sechsjährige
Kind an den Wochenenden auch bei ihm schlafen könne. Die Mutter widersetzte sich
diesem Wunsch.
Das Amtsgericht wies den Antrag des Kindsvaters zurück. Zur
Begründung verwies es im Wesentlichen auf die bestehenden
Verständigungsschwierigkeiten und darauf, dass das Kind, das noch nicht
eingeschult sei, bisher noch nicht den Wunsch geäußert habe, beim Vater
übernachten zu wollen.
Das Oberlandesgericht hielt hingegen einen Übernachtungsumgang
mit Anbahnungsphase für richtig. Seit der letzten Umgangsvereinbarung sei das
Kind zwei Jahre älter geworden. Entgegen der von der Mutter geäußerten Meinung
spreche das Alter nicht gegen die Anordnung einer Übernachtung beim Vater,
sondern dafür, dass eine solche endlich angeordnet werde. Die Tochter müsse
ihren Vater unter Alltagsbedingungen kennen lernen können und ihn nicht nur in
Ausnahmesituationen und als "Event-Manager" erleben. Es gäbe keine generelle
Regel, die lautet, Übernachtungen beim umgangsberechtigten Elternteil
entsprächen dem Kindeswohl erst, wenn das Kind eingeschult sei. Vielmehr sei auf
die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Diese stünden der Anordnung eines
Übernachtungsumgangs hier nicht im Wege. Die geäußerte Ablehnung der Tochter
spreche ebenfalls nicht dagegen. Hierbei handele es sich nicht um eine
eigenständige Willensäußerung, sondern um die Übernahme der Meinung ihrer
Mutter.
Auch das Sprachproblem stelle kein gegen eine Übernachtung
sprechendes Hindernis dar. Der Vater habe seit dem Jahr 2006 Umgang mit seiner
Tochter. Die Mutter habe kein einziges konkretes Ereignis geschildert, das
belegt, dass die Verständigungsschwierigkeiten zu einem ernst zu nehmenden
Problem geführt hätten. Daraus sei zu folgern, dass sowohl der Vater mit dem
Kind klarkomme als auch umgekehrt. Hinzu komme, dass auftretende Sprachprobleme
heutzutage mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel und Medien schnell und
leicht überwunden werden könnten. Außerdem sei die emotionale Zuwendung, die bei
einer plötzlich auftretenden Heimwehattacke erforderlich werden könnte, auch
ohne viele Worte möglich. Zweifel an der Fähigkeit des Vaters, auf eine solche
Situation eingehen zu können, bestünden im Hinblick auf seine Ausbildung zum
Pädagogen und seiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit nicht.
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