Befreiung von Klassenfahrten nur in besonderen Ausnahmefällen
Die Befreiung von der Teilnahme an Schulpflichtveranstaltungen
aus religiösen Motiven ist und bleibt die Ausnahme. In Fällen, in denen Eltern
für ihre Kinder eine solche Freistellung aus Gründen der Glaubens- und
Gewissensfreiheit beziehungsweise des elterlichen Erziehungsrechts beanspruchen,
müssen Eltern und Schule versuchen, einen Kompromiss zu finden. Sei dies nicht
möglich, komme eine Befreiung nur in besonders schwerwiegenden Einzelfällen in
Frage, entschieden die Richter des Oberverwaltungsgerichts Bremen
(Oberverwaltungsgericht Bremen am 19. November 2013, AZ: 1 A 275/10).
Drei Geschwister sollten an einer Klassenfahrt teilnehmen. Der
Vater beantragte die Befreiung der Kinder von der Teilnahme. Die Familie war
Mitglied der Freien Christengemeinde. Der Vater sah die christliche Betreuung
seiner Kinder, wozu gemeinsame Gebete und Bibellesungen gehörten, nicht
gewährleistet. Die Unterbringung der Kinder außerhalb des Elternhauses greife in
die grundrechtlich geschützte christlich geprägte Erziehung der Kinder ein. Das
Angebot der Schule, die Kinder jeden Abend von dem 35 Kilometer entfernt
liegenden Ziel der Klassenfahrt abzuholen und sie morgens wieder
zurückzubringen, lehnte der Vater ab.
Die Kinder müssen teilnehmen, entschieden die Richter. Die
Befreiung von schulischen Pflichtveranstaltungen, weil die Eltern
Beeinträchtigungen ihrer religiösen Erziehungsvorstellungen befürchteten, müsse
die Ausnahme bleiben. Zwar seien der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag
und das religiöse Erziehungsrecht sowie die Glaubensfreiheit gleichrangig.
Deswegen müsse der Staat bei der Ausgestaltung des Unterrichts religiöse und
weltanschauliche Neutralität und Toleranz wahren. Gleichzeitig habe die Schule
aber die Aufgabe, allen Schülern ihren Fähigkeiten entsprechende
Bildungsmöglichkeiten zu bieten und so einen Grundstein für ihre selbstbestimmte
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu legen. Der staatliche Bildungs- und
Erziehungsauftrag würde praktisch leerlaufen, müsste sich die Schule in ihrer
Unterrichtsgestaltung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken und alle
religiösen Verhaltensregeln mit Auswirkungen auf den Schulalltag
berücksichtigen.
Legten Eltern den Konflikt zwischen der Glaubens- und
Gewissensfreiheit und dem staatlichen Erziehungsauftrag dar, müsse man zunächst
nach einem Kompromiss suchen. Scheide ein Kompromiss aus, komme eine Befreiung
nur dann in Betracht, wenn die dargelegte Beeinträchtigung von besonders „
gravierender Intensität“ sei.
Im vorliegenden Fall sei das Kompromissangebot der Schule dazu
geeignet gewesen, den Konflikt zu entschärfen. Die Richter betonten, die Schule
sei den Eltern mit ihrem Angebot, auf die Übernachtung der Kinder außer Haus zu
verzichten, weit entgegengekommen. Da diese das Angebot ausgeschlagen hätten,
bedürfe es nun keiner weitergehenden Abwägung der widerstreitenden
Rechtspositionen mehr.
◄
zurück
|