Wer scheidet Ehen mit doppelter Staatsangehörigkeit?
Luxemburg/Berlin. Im Falle einer Scheidung von Eheleuten, die
beide die gleiche doppelte Staatsangehörigkeit zweier EU-Mitgliedstaaten
besitzen, können Gerichte beider Länder zuständig sein. Das jeweilige Gericht
ist bei seiner Prüfung der Zuständigkeit verpflichtet, die Staatsangehörigkeit
des Ehegatten zu einem anderen Mitgliedstaat zu berücksichtigen, entschied der
Europäische Gerichtshof (EuGH) am 16. Juli 2009 (AZ: C-168/08). Die Frage der
Zuständigkeit kann Auswirkungen auf Ausgleichsansprüche haben.
Beide Eheleute besitzen sowohl die ungarische als auch die
französische Staatsangehörigkeit und lebten seit 1980 in Frankreich. Ein Gericht
in Frankreich hatte die vom Ehemann bei einem ungarischen Gericht eingereichte
Scheidung nicht anerkannt und stattdessen der französischen Staatsangehörigkeit
Vorrang eingeräumt. Die Ehefrau hatte knapp ein Jahr nach ihrem Mann die
Scheidung der Ehe in Frankreich beantragt.
Der EuGH hat festgelegt, dass es den Parteien grundsätzlich
frei steht, sich für ein Land, in dem die Scheidung gesprochen werden soll, zu
entscheiden. Die Zuständigkeit des ungarischen Gerichts ergibt sich aus einer
EU-Verordnung (Art. 3 b der Verordnung 2201/2003). Dieser knüpft an die
gemeinsame doppelte Staatsangehörigkeit an. Für den Fall, dass sich die
Ehegatten an Gerichte in unterschiedlichen Mitgliedstaaten wenden, muss das
später angerufene Gericht sein Verfahren von Amts wegen aussetzen, bis die
Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist.
Tipp: Es ergibt sich allerdings hier das Problem, dass sich
die zuerst klagende Partei durch Wahl des Gerichtsstandorts materielle Vorteile
verschaffen könnte. Auf zwei deutsche Staatsangehörige, die beispielsweise in
London lebten, wäre für ihre güterrechtlichen Rechtsbeziehungen grundsätzlich
aus deutscher Sicht das deutsche Recht mit Zugewinnausgleich anzuwenden.
Englische Gerichte könnte aber jede der Parteien anrufen, die länger als ein
Jahr in England lebt. Diese ziehen ihr eigenes Recht (als lex fori) heran.
England kennt keine dem deutschen Zugewinnausgleich entsprechenden Ausgleichs-
und Verteilungsregeln. Englische Gerichte könnten dann nach
Billigkeitsgesichtspunkten finanzielle Umverteilungen vornehmen.
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