Keine Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit, wenn Kind besondere
Zuwendung braucht
Bedarf ein Kind der besonderen Betreuung, ist ein
alleinerziehendes Elternteil nicht verpflichtet, Vollzeit zu arbeiten, auch wenn
das Kind deutlich älter als drei Jahre ist. Das sagt ein Urteil des
Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 17. Februar 2010 (Az: 5 UF 45/09).
Nach der Trennung der Eltern betreute die Mutter den 1999
geborenen gemeinsamen Sohn allein. Der Junge litt unter Legasthenie und einer
hyperkinetischen und sozialen Störung. Die Mutter sah deswegen einen „erhöhten
Betreuungsaufwand“ und arbeitete lediglich 23 Stunden in der Woche. Der Mann
wollte jedoch keinen Unterhalt mehr für seine frühere Frau zahlen. Er
argumentierte, dass das gemeinsame Kind so umfassend fremd betreut werde, dass
die Mutter nun in Vollzeit tätig sein könne.
Das Amtsgericht wies das in erster Instanz zurück. Mehr als
eine wöchentliche Arbeitszeit von 23 Stunden sei der Mutter nicht zuzumuten. Der
deswegen fortbestehende Unterhaltsanspruch könne auch nicht befristet werden,
weil das Ende der Betreuungsbedürftigkeit von Kindern grundsätzlich nicht
vorherzusehen sei.
Die Richter des OLG sahen das genauso. Die Klägerin habe
weiterhin einen Anspruch auf Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes, und zwar
sowohl aus kind- wie aus elternbezogenen Gründen. Zwar könne nach der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein solcher Unterhalt bei der Betreuung
von Kindern, die das 3. Lebensjahr vollendet haben, nur noch bei ausdrücklicher
Darlegung von Gründen, die kind- oder elternbezogen sein müssten, gewährt
werden. Die Richter des OLG äußerten jedoch Benken gegen diese enge Auslegung,
denn Pflege und Erziehung der Kinder seien das „natürliche Recht“ der Eltern. Es
drohe eine Benachteiligung gerade derjenigen Kinder zu entstehen, die infolge
der Trennung der Eltern die Betreuung durch den verbliebenen Elternteil in der
Regel besonders benötigten.
Die Beweisaufnahme - Zeugenaussagen des Arztes und des
Klassenlehrers - habe jedenfalls die Notwendigkeit der ergänzenden Betreuung des
Sohnes durch die Mutter voll und ganz bestätigt. Die Betreuung sei für die
weitere Entwicklung des Jungen von zentraler Bedeutung. Somit läge mit der
erhöhten Betreuungsbedürftigkeit des Sohnes ein kindbezogener Grund für den
Anspruch auf Betreuungsunterhalt vor. Die Belastung der Mutter bis in die
Abendstunden neben ihrer etwas mehr als halbschichtigen Erwerbstätigkeit sei
daneben ein elternbezogener Grund.
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