Strafanzeige gegen Ehepartner - keine Schadensersatzpflicht
Aus der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt
sich für Verheiratete, dass man den anderen Ehegatten nicht strafrechtlich
anzeigen soll. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr ist
bei der wertenden Gesamtbetrachtung, ob das Verhalten als ehewidrig anzusehen
ist, auch zu berücksichtigen, welche Motive den Anzeigeerstatter bewegen,
insbesondere, ob diese auf einer Gesinnung beruht, die mit dem sittlichen Wesen
der Ehe zu vereinbaren ist.
Erstattet ein Ehepartner Anzeige gegen den anderen Partner
wegen des Vorwurfs von Straftaten, die dieser ihm und den gemeinsamen Kindern
gegenüber begangen haben soll, führt dies grundsätzlich nicht zur
Schadensersatzpflicht des Anzeige erstattenden Ehegatten, wenn das
Ermittlungsverfahren eingestellt wird.
Was war passiert? Die Ehegatten lebten getrennt. Sie stritten
um die Erstattung von Verteidigerkosten, die dem Ehemann auf Grund einer gegen
ihn gerichteten Strafanzeige der Ehefrau entstanden waren.
Die Frau warf dem Mann vor, beim Auszug aus der gemeinsamen
Wohnung Wertgegenstände, ihr gehörende Unterlagen sowie einen Laptop des
gemeinsamen Sohnes entwendet zu haben. Außerdem verweigere er die Herausgabe
seiner Wohnungsschlüssel. Seiner Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt
für die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder komme er nicht nach, obwohl er
als selbstständiger Fotograf tätig sei. Der Mann habe nicht auf schriftlichem
Weg zur Einhaltung seiner Verpflichtungen aufgefordert werden können, weil sein
Aufenthalt unbekannt sei. Erkundigungen bei Meldeamt und Ausländerbehörde seien
erfolglos geblieben. Gemeinsame Verwandte und Bekannte verweigerten die
Auskunft.
Der Mann bestritt die Vorwürfe. Daraufhin nahm die Frau den
Strafantrag zurück. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte das
Ermittlungsverfahren mit dem Hinweis ein, dass nach Rücknahme des Strafantrages
die Verfolgung des angezeigten Familiendiebstahls nicht mehr möglich sei. Die
weitere Aufklärung der Vorwürfe wegen der Verletzung der Unterhaltspflicht sei
ohne Mitwirkung der Frau nicht mehr möglich.
Die Beschwerde des Mannes blieb ohne Erfolg (Beschluss
des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Mai 2012; AZ: 21 UF 1337/11). Die Ehefrau
sei nicht verpflichtet, ihrem Mann die Anwaltskosten zu erstatten. Ein solcher
Anspruch ergebe sich weder unter den Voraussetzungen des allgemeinen
Haftungsrechts noch aufgrund der besonderen Verpflichtungen zwischen Eheleuten,
so die Richter. Das Ingangsetzen und Betreiben eines gesetzlich geregelten
Strafverfahrens habe zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich.
Abgesehen von Ausnahmefällen müsse der Rechtsschutzbegehrende für die Folgen
einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage nicht haften. Allenfalls
wenn ein objektiv unwahrer Sachverhalt wissentlich oder leichtfertig - d. h.
grob fahrlässig - den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt werde, sei eine
Haftung denkbar. Hier könne man jedoch nicht davon ausgehen, dass die Frau in
ihrer Strafanzeige einen objektiv unwahren Sachverhalt geschildert habe. Auch
könne die Rücknahme des Strafantrages nicht als Eingeständnis gewertet werden,
die ursprünglich erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend gewesen. Die Motive für
die Rücknahme könnten gerade bei getrennt lebenden Eheleuten vielfältig sein.
Ehepaare seien gehalten, einander Beistand und Fürsorge zu gewähren. Daraus
leite sich die grundsätzliche Verpflichtung ab, Strafanzeigen gegen den anderen
zu unterlassen. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht uneingeschränkt. Im
vorliegenden Fall könne man nicht von einer Verletzung der ehelichen Pflichten
der Frau ausgehen. Es sei nicht nachgewiesen, dass die erhobenen Vorwürfe nicht
der Wahrheit entsprächen. Die Anzeige betreffe ein strafbares Verhalten des
Mannes der Frau bzw. den gemeinsamen Kindern gegenüber. Da die Möglichkeit
bestehe, dass der Ehemann die Grenzen des Rechts überschritten habe, könne man
von der Frau kaum erwarten, von einer Anzeige Abstand zu nehmen.
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