Alleiniges Sorgerecht für die Mutter auch gegen Kindeswillen
(red/dpa). Bei der Trennung gerade binationaler Ehepaare
ergeben sich immer wieder praktische Probleme: Wie soll beispielsweise das
gemeinsame Sorgerecht und das gemeinsame Umgangsrecht ausgeübt werden? Geht ein
Elternteil in sein Heimatland zurück, ist dies immer schwierig. Mit der Frage,
inwieweit auch der Kindeswille bei dieser Entscheidung zu berücksichtigen ist,
hat sich das Oberlandesgericht München am 12. Dezember 2013 (AZ: 2 UF 1230/13)
beschäftigt.
Entspricht es dem Kindeswohl, ist das alleinige Sorgerecht der
Mutter zu übertragen, auch wenn die 14-jährige Tochter beim Vater leben möchte.
Die Übertragung des gesamten Sorgerechts ist dann geboten, wenn zwischen den
Eltern ein großes Misstrauen und eine erhebliche räumliche Distanz bestehen.
Die Eltern sind geschieden und hatten das gemeinsame
Sorgerecht. Der Vater ist US-Amerikaner. Das erste Lebensjahr des Kindes
verbrachte die Familie in Amerika, die übrige Zeit lebte sie in Deutschland.
Nach Trennung und Scheidung kehrte der Mann wieder in die USA zurück. Nach
verschiedenen Streitigkeiten zwischen den beiden Eltern erhielt die Mutter in
den Teilbereichen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht das alleinige
elterliche Sorgerecht. Die Tochter lebte vorwiegend bei der Mutter und besuchte
eine Realschule. Im Rahmen eines Ferienumgangs im August 2012 beim Vater in den
USA kehrte die Tochter nicht zurück. Erst nach einem Verfahren gemäß des Haager
Kindesentführungsübereinkommens wurde sie im Januar 2013 nach Deutschland
zurückgebracht. Der Vater beantragte sodann die Übertragung des alleinigen
Sorgerechts auf sich. Die Mutter hingegen wollte die gesamte elterliche Sorge
alleine haben.
Das Gericht gab ihr Recht. Dies würde dem Kindeswillen am
besten entsprechen. Zwar habe die mittlerweile 14-jährige Tochter klar zum
Ausdruck gebracht, dass sie künftig beim Vater leben wolle. Es komme dem
Kindeswillen mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeiten auch vermehrt
Bedeutung zu. Jedoch müssten auch andere wichtige Gründe, beispielsweise die
Kontinuität, berücksichtigt werden. Ein Wechsel zum Vater würde eine völlige
Umstellung der geographischen, kulturellen, persönlichen und schulischen
Situation mit sich bringen. Ein Sachverständiger hatte eine enge Bindung an die
Mutter festgestellt. Auch bestünden keine Zweifel an ihrer Erziehungsfähigkeit
und Förderkompetenz. Vernünftig sei es daher, wenn die Tochter zunächst ihre
schulische Laufbahn in Deutschland beende und später, etwa mit 16 Jahren, erneut
entscheiden könnte, wo sie künftig leben wolle.
Für den Verbleib bei der Mutter spreche auch, dass der Vater
das Kind der Mutter rechtswidrig für fünf Monate entzogen habe. Er habe seine
Tochter dadurch in eine Drucksituation gebracht, die nicht für seine
Förderkompetenz als Vater spreche. Nachvollziehbar sei auch, dass das Vertrauen
zwischen den Eltern durch die Kindesentziehung gestört sei.
Bei Berücksichtigung dieser Umstände entspreche ein Verbleib
in Deutschland daher dem Kindeswohl mehr als ein Wechsel zum Vater nach Amerika,
so das Gericht.
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