Rechtsanwalt Gerhard Raab in Frechen-Königsdorf

Jugendamtsmitarbeiterin: Fahrlässige Tötung, weil sie nicht handelte

 

(red/dpa). Handelt ein Jugendamtsmitarbeiter nicht mit der erforderlichen Sorgfalt oder bleibt untätig, kann dies für die betreuten Kinder lebensbedrohliche Folgen haben. Der Mitarbeiter muss nicht erst handeln, wenn er von einer konkreten, akuten Gefährdung des Kindeswohls Kenntnis nimmt. Im Gegenteil muss er auch „für eine pflichtwidrig herbeigeführte Unkenntnis“ - etwa durch Untätigkeit - einstehen und die strafrechtlichen Folgen tragen.

Die Mitarbeiterin des allgemeinen Sozialdienstes hatte die alleinerziehende Mutter und ihre neun Kinder über mehrere Jahre betreut. Sie war durch ein anderes Jugendamt darüber informiert worden, dass insbesondere das Kindeswohl zweier Geschwister gefährdet war. Trotzdem blieb sie untätig. So konnte sie das Gefährdungsrisiko für den Jungen und das Mädchen nicht erkennen. Der Jugendamtsmitarbeiterin blieb verborgen, dass die beiden Geschwister dehydriert und nicht ausreichend ernährt waren.

Als die Mutter schließlich das Mädchen in einer Notfallpraxis vorstellte, wog der neun Monate alte Säugling nur noch 4,6 Kilogramm. Eine sofort eingeleitete intensivmedizinische Behandlung konnte das Kind retten. Am nächsten Tag war die Mutter dann auch mit dem 25 Monate alten Bruder des Mädchens im Krankenhaus. Es war dem Hungertod nah und ebenfalls lebensbedrohlich dehydriert. Der Junge starb am selben Tag.

Das Gericht verurteilte die Frau wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 3.500 Euro. Als Mitarbeiterin des Jugendamts hat die Frau eine so genannte Garantenpflicht. Im vorliegenden Fall heißt das, sie hatte dafür einzustehen, dass der Junge nicht stirbt. Diese gesetzliche Verpflichtung habe sie fahrlässig verletzt und Maßnahmen zur Verhinderung von dessen Hungertod nicht ergriffen, so das Gericht. Die Unterernährung des Mädchens sei für sie dagegen nicht zu erkennen gewesen.

Über die Dauer von mehreren Monaten habe die Frau keine Gefährdungseinschätzung vorgenommen, obwohl das andere Jugendamt sie entsprechend informiert habe und ihr darüber hinaus weitere Umstände bekannt gewesen seien. Es wäre ihr möglich und zumutbar gewesen zu handeln. Sie hätte sich einen persönlichen Eindruck verschaffen und unter Umständen das Familiengericht einschalten müssen. Der Zustand des Jungen - seine Unterversorgung und die daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten - sei schon Monate vor seinem Tod so deutlich sichtbar gewesen, dass ihr das hätte auffallen müssen. Hätte die Jugendamtsmitarbeiterin die notwendige Sorgfalt walten lassen, hätte sie den Tod des kleinen Jungen und das Leiden des Mädchens verhindern können.

So das Oberlandesgericht Hamm in einer Entscheidung vom 22. Oktober 2020 (Az. III-5 RVs 83/20).

 

 

 

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