Keine Anfechtung wegen Irrtums über
Überschuldung bei Ausschlagung aufgrund spekulativer Grundlage
Köln/Berlin (dpa/tmn). Beruht
die Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf der Vermutung, der Nachlass
sei überschuldet, so kann der Ausschlagende dies nicht rückgängig machen, wenn
er seinen Irrtum später bemerkt, wie das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit
Beschluss vom 19.12.2018 (I-3 Wx 140/18) entschieden hat.
Eine verwitwete Frau wird von der Polizei tot in ihrer
verwahrlosten Wohnung aufgefunden. Sie hinterlässt kein Testament. Ihre
Schwestern schlagen das Erbe aus. Das Nachlassgericht setzt eine
Nachlasspflegerin ein, die feststellt, dass der der Nachlass nach Abzug der
Schulden 6.500,00 € beträgt. Die Schwestern waren - zu Unrecht, wie sich
herausstellte - davon ausgegangen, dass sie als Erben die kompletten
Renovierungs- und Entrümpelungskosten gegenüber dem Vermieter zu tragen hätten.
Nachdem sie ihren Irrtum bemerken, wollen sie Ausschlagung rückgängig machen und
erklären die Anfechtung der Ausschlagung.
Dies ist nicht mehr möglich, entscheiden die Richter. Die
Schwestern können die Erbschaft nicht mehr annehmen, weil es an einem
Anfechtungsgrund fehlt. Ein Irrtum über die Frage, ob eine Erbschaft
überschuldet ist, ist zwar als Anfechtungsgrund anerkannt. In einem solchen Fall
kann auch die Ausschlagung angefochten werden, wenn der Ausschlagende irrtümlich
von einer Überschuldung ausgegangen ist. Wer aber ohne nähere Kenntnis der
Zusammensetzung des Nachlasses ausschlägt, entscheidet sich hierfür aufgrund
bloßer Spekulation und handelt aufgrund von Hoffnungen oder Befürchtungen. Dies
berechtigt nicht zur Anfechtung. Denn das würde es dem Erben ermöglichen, sehr
flexibel auf die weiteren Entwicklungen zu reagieren: entwickeln sich die
Erkenntnisse negativ, belässt der Erbprätendent es bei der erklärten
Ausschlagung, entwickeln sie sich günstig, ficht er seine Ausschlagung an. Die
Schwestern befanden sich schon nach ihren eigenen Angaben nur in einem
anfechtungsrechtlich unbeachtlichen Motivirrtum, der sie nicht zur Anfechtung
berechtigt. Sie überschätzten die Kosten der Wohnungsauflösung und hielten daher
eine Überschuldung für wahrscheinlich, wobei ihnen bewusst war, weder vorhandene
Guthaben, noch die entstehenden Kosten irgendwie verlässlich (geschweige denn
gesichert) beziffern zu können, sondern von rund fünf Jahre zurückliegenden
Werten auszugehen und hieraus Rückschlüsse gezogen zu haben. Daher bleibt ihnen
eine Rückkehr zu einer Erbenstellung verwehrt.
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