Rechtsanwalt Gerhard Raab in Frechen-Königsdorf

Darf ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit gekündigt werden?

 

Der aktuelle Fehlzeitenreport zeigt: Beschäftigte melden sich immer häufiger krank. Im Durchschnitt fehlt jeder Arbeitnehmer inzwischen rund 19 Tage im Jahr bei der Arbeit. Besonders häufig liegt der Grund für die Fehlzeiten in psychischen Erkrankungen.

Dabei fragen sich gerade Arbeitnehmer, die von langwierigen Krankheiten wie Burn-out, Depressionen oder chronischen körperlichen Leiden geplagt sind, ob sie ihrem Chef von ihrer Krankheit erzählen und so für Verständnis für sich und ihre Fehlzeiten werben sollten.

Wer erkrankt, muss den Arbeitgeber zwar gleich am ersten Tag informieren, dass man krank ist und nicht zur Arbeit kommen kann. Rechtlich sind Beschäftigte aber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, gegenüber ihrem Arbeitgeber vorprozessual offenzulegen, an welcher Krankheit sie leiden. Deshalb besteht auch kein Grund, das zu tun..

Denn das Offenlegen könnte negative Folgen für den Arbeitnehmer haben - eine Stigmatisierung etwa. Diese ist gerade bei Suchterkrankungen oder affektiven Störungen wie Depressionen zu befürchten.

Abgesehen von einer Stigmatisierung könnten einem zu offenen Beschäftigten auch arbeitsrechtliche Nachteile drohen. Zwar ist eine Krankheit als solche kein im Arbeitsrecht anerkannter Kündigungsgrund. Doch das sieht anders aus, wenn einer Krankheit etwa häufige Fehlzeiten folgen.

Dabei unterscheidet die Rechtsprechung zwischen verschiedenen Szenarien, die es einem Vorgesetzten erlauben könnten, eine Kündigung wegen Krankheit auszusprechen:

  • häufige, kurze Erkrankungen des Arbeitnehmers

  • dauernde Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers ohne Perspektive auf Besserung

  • eine langandauernde Krankheit des Arbeitnehmers, bei der unklar ist, ob und wann sie geheilt werden kann.

Nach dem Kündigungsschutzgesetz gibt es drei Formen von Kündigungen von Arbeitnehmern: personenbedingt, verhaltensbedingt und betriebsbedingt. Die krankheitsbedingte Kündigung gehört rechtlich gesehen zu den personenbedingten Kündigungen.

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber sich an bestimmte Vorgaben halten, ehe er sie aussprechen darf. Der Arbeitgeber muss eine geplante Kündigung wegen Krankheit genau prüfen und sozial rechtfertigen. Dabei ist ein dreistufiges Prüfungsschema einzuhalten. In diesem Schema muss sich ein Arbeitgeber fragen:

  1.

Krankheitsbedingte Kündigung: Wie sieht die künftige Gesundheitsprognose für den Beschäftigten aus?

Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, könnte eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht kommen. Dafür muss der Arbeitgeber zunächst eine ‚negative Gesundheitsprognose‘ belegen. Das bedeutet, es müssen objektive Tatsachen dafür vorliegen, dass weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang zu erwarten sind.

Für einen häufig kurze Zeit Kranken bedeutet das: Bleibt der Beschäftigte der Arbeit binnen drei bis fünf Jahren im Jahr insgesamt mehr als sechs Wochen fern, kann es sein, dass von weiteren Krankentagen in der Zukunft ausgegangen werden kann - wenn der Arbeitnehmer nicht das Gegenteil nachweist. Diese negative Gesundheitprognose muss zum Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung vorliegen.

 
       
  2.

Beeinträchtigt die Krankheit des Mitarbeiters die betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers?

Liegt eine negative Gesundheitsprognose vor, ist weiter zu prüfen, ob eine erhebliche Beeinträchtigung wirtschaftlicher oder betrieblicher Interessen des Arbeitgebers vorliegt. Dafür müssen die Fehlzeiten des Kranken die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers allerdings erheblich beeinträchtigen. Das kann zum Beispiel zutreffen, wenn der Betriebsablauf gestört wird oder der Arbeitgeber dem erkrankten Arbeitnehmer in außergewöhnlicher Höhe Entgelt fortzahlen muss. Zugunsten der Arbeitnehmer ist z. B. zu berücksichtigen, ob Betriebsablaufstörungen durch Überbrückungsmaßnahmen verhindert werden können.

 
       
  3.

Die Interessenabwägung bei krankheitsbedingter Kündigung sieht so aus: lange Betriebszugehörigkeit oder kurze Anstellung?

Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Beschäftigten krankheitsbedingt zu kündigen, muss er auf einer imaginären Pro und Contra-Liste zuvor klären, ob er den kranken Angestellten weiter tragen kann. Einem Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit, der zum Beispiel seit 20 Jahren im Unternehmen arbeitet, schuldet ein Arbeitgeber dabei viel mehr Nachsicht als jemandem, der seit ein paar Monaten der Probezeit entwachsen ist. Entscheidend ist insoweit immer der Einzelfall. Bei der Abwägung ist immer zu fragen, ob dem Arbeitgeber die erheblichen ökonomischen oder betrieblichen Interessen noch zugemutet werden können.

 

Es sei auch darauf hingewiesen, dass man Beschäftigten auch während einer Krankheit kündigen kann.

Wenn es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt, muss er bei einer Kündigung wegen Krankheit gehört werden. Ansonsten ist die krankheitsbedingte Kündigung ohne Wirkung und damit anfechtbar.

Darüber hinaus gelten engere Voraussetzungen und Kündigungsgrenzen für bestimmte Arbeitnehmergruppen: Vor der Kündigung eines Schwerbehinderten muss der Arbeitgeber das Integrationsamt um Zustimmung bitten und kann eine wirksame Kündigung nach der eventuell erteilten Zustimmung aussprechen. Während einer Schwangerschaft und im Mutterschutz können Frauen kaum gekündigt werden, auch hier bedarf es der Zustimmung einer Behörde.

Kranke Arbeitnehmer müssen einem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht zustimmen. Sie haben ein Wahlrecht. Ihr Chef hingegen nicht. Ist ein Mitarbeiter länger als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig - am Stück oder wiederholt - muss er ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anstoßen. Innerhalb dieses Vorgangs wird erörtert, wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann, ob es zum Beispiel einen Weg gibt, die Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zu überwinden.

Stößt der Arbeitgeber die BEM nicht an oder macht er Fehler, ist eine Kündigung wegen Krankheit zwar nicht automatisch unwirksam. In einem Kündigungsschutzprozess hätte ein Mitarbeiter aber bessere Karten, sich gegen die Kündigung zu wehren.

Wenn Betroffene gegen eine Kündigung wegen einer Krankheit klagen wollen, müssen sie zügig reagieren. Denn ihnen bleiben nur drei Wochen Zeit nach Eingang der Kündigung, um eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Diese Frist gilt auch, wenn Beschäftigte eigentlich auf eine Abfindung dringen wollen.

 

 

     
 
     
   
     
     

 

   zurück

 

Rechtsanwalt Gerhard Raab

Aachener Straße 585 · 50226 Frechen-Königsdorf

Telefon: 02234 - 6 39 90 · Telefax: 02234 - 6 49 60

  Sitemap

© Rechtsanwalt Gerhard Raab